Erbbaurecht vor Verkauf von städtischen Grundstücken und Gebäuden

Votierungsliste Nummer: 
18
Laufende Nummer: 
428
Art der Übermittlung: 
Internet
Betrifft: 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Landeshauptstadt Potsdam und ihre Treuhänder verstehen sich als ausschließlich gemeinwohlorientierter Eigentümer von Grundstücken und Gebäuden. In der Vergabepraxis gilt: Erbbaurecht vor Verkauf. Ein Erbbauzins wird nach gemeinwohlorientiertem Maßstab erhoben. Grundstücke werden nur im absoluten Ausnahmefall verkauft.

Bewertung / Einschätzung der Landeshauptstadt Potsdam: 

Bereits jetzt prüft die Landeshauptstadt Potsdam bei jedem Verkaufsvorgang vorab, inwieweit bei der Verwertung von Grundstücken anstelle eines Verkaufs die Bestellung von Erbbaurechten zu favorisieren ist.
Entsprechendes soll in der aktuell sich im Geschäftsgang befindenden Änderung der „Leitlinie über das Verfahren zur Veräußerung von Grundstücken durch die Landeshauptstadt Potsdam“ konkretisiert werden (22/SVV/0418). Dies gilt insbesondere für Grundstücke, die für den Geschosswohnungsbau geeignet sind. Auch sollen die bestehenden Erbbauzinssätze für die entsprechenden jeweiligen Nutzungen (Wohnzwecke, für soziale Zwecke und für Gewerbe) überarbeitet werden. Dabei wird die Bestellung von Erbbaurechten an bebauten und unbebauten Grundstücken der Stadt und ihrer Gesellschaften seit Festlegung der aktuellen kommunalen Erbbauzinssätze evaluiert und die Erbbauzinssätze ermittelt.
In den vergangenen Jahren wurden durchschnittlich ca. 2,4 Mio. Euro Einnahmen pro Jahr durch Grundstücksverkäufe erzielt. Diese dienten ausschließlich der Deckung von geplanten Investitionen. Bei Anwendung der neuen Leitlinie werden sich die Einzahlungen um jährlich voraussichtlich etwa 1 Mio. Euro verringern und stehen somit zur Deckung von Investitionen bzw. von Grundstücksankäufen nicht mehr zur Verfügung. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Einnahmen aus dem Verkauf dem Finanzhaushalt der Stadt zufließen und für andere Investitionen, z.B. in Schulen und Kitas, verwendet werden können. Die Einnahmen aus den Erbbaurechten fließen in den Ergebnishaushalt und stehen somit für Investitionen nicht unmittelbar zur Verfügung. Daneben kommen Einzahlungen aus Grundstücksverkäufen oder Erbbaurechtsbestellungen, im Vergleich zu Höchstgebotsverfahren, der Stadt erst langfristig zu Gute. Bereits die gutachterlich ermittelten Verkehrswerte liegen in der Regel mindestens 20 bis 30% unter den tatsächlich erzielbaren Marktwerten. Somit liegen die Einzahlungsverluste unter den möglichen Einzahlungen bei Höchstgebotsverfahren.
Auf die gesamte Laufzeit eines Erbbaurechts (z.B. 75 Jahre) gerechnet, werden insgesamt höhere Einnahmen erzielt, als aus einem einmaligem Verkaufsgeschäft. Die Landeshauptstadt Potsdam erhält in diesem Zeitraum jährlich den pachtähnlichen Erbbauzins. Der Erbbauzins kann bei Wertsteigerung entsprechend angepasst werden. Das Grundstück bleibt im Eigentum der Landeshauptstadt Potsdam und damit auch die Wertsteigerung.

Verlauf der Vorschlagseinbringung / Rechenschaft: 

Der Vorschlag wurde im Bürgerhaushalt 2023/24 der Landeshauptstadt Potsdam eingereicht. Er erhielt bei der abschließenden Votierung keine ausreichende Punktzahl von den Potsdamerinnen und Potsdamern und konnte aus diesem Grund nicht in die „TOP 20 - Liste der Bürgerinnen und Bürger" aufgenommen werden.
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Originalvorschlag: 428. Erbbaurecht vor Verkauf
Die Stadt Potsdam und ihre Treuhänder verstehen sich als ausschließlich gemeinwohl orientierter Eigentümer von Grundstücken und Gebäuden. In der Vergabepraxis gilt: Erbaurecht vor Verkauf. Ein Erbbauzins wird nach gemeinwohlorientiertem Maßstab erhoben. Grundstücke werden nur im absoluten Ausnahmefall verkauft.
Begründung: Erbbaurecht vor Verkauf ist eine alte Forderung, die bis in 1920ziger Jahre zurück reicht. Jene Städte, die dies als Leitlinie über Jahrzehnte hatten und davon nicht abgewichen sind, haben einerseits bis heute stabil einen masstabgebenden und entscheidenden Einfluss auf den Grundstücksmarkt ihres Gemeinwesens und andererseits  ein entspanntes Mietniveau. Vorderstes Beispiel ist die Stadt Wien. Auch Potsdam hält einen wichtigen Grundstücksbestand. Leider aber muss man sagen, dass sich dennoch die Stadt Potsdam aus haushaltstechnischen Gründen in der jüngsten Vergangenheit unrühmlich an der Grundstücksspekulation durch Veräußerung von Grundstücken beteiligt hat. Dies  sollte ein Ende haben. Es findet sonst ein weiteres Anheizen des Grundstücksmarkt durch die öffentliche Hand statt, was letztlich auf die Mieten in der ganzen Stadt durchschlägt und private Grundstücksspekulanten anlockt. Erbbaurecht ist dann aber kein Gewinn, wenn der  Erbbauzins zu hoch angesetzt wird, um langfristig auf anderem Wege Gewinne einstreichen zu können. Darum muss sich die Höhe des Erbbauzins am Gemeinwohl orientieren, dem sich die Gemeinde verpflichtet fühlt. Was an anderer Stelle ethisches Investment heißt muss auch für die Stadt gelten. Die Stadt muss ihre Verantwortung und soziale Kompetenz wahrnehmen. Die Stadt muss langfristig Verfügungsgewalt über den Grund und Boden behalten. Aktuell stehen einige Bebauungspläne an. Auch die öffentlichen, genossenschaftlichen und privaten Investoren benötigen eine kalkulierbare und rechtlich stabile Grundlage für den Boden auf dem sie investieren, um zu für die Bevölkerung tragbaren Preisen im Wohn- und Gesellschaftsbau tätig werden zu können.

Kommentare

Für die Stadtentwicklung wichtiger Vorschlag.

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