„Es ist Freude und Herausforderung zugleich, eine wachsende Stadt zu gestalten.“

Burkhard Exner (Foto: K. Wolf)
Burkhard Exner (Foto: K. Wolf)
Burkhard Exner (Foto: K. Wolf)

Seit 2002 ist Burkhard Exner Potsdams Beigeordneter für Finanzen. 2006 wurde er zudem zum Bürgermeister gewählt und nimmt in dieser Funktion vertretungsweise Aufgaben des Oberbürgermeisters wahr.

Im Interview spricht er über Potsdams Wachstum und wie es gelingt, dieses zu meistern.

 

Sie sind seit 2002 in Potsdam und wurden im vergangenen Jahr als erfolgreichster Kämmerer Brandenburgs bezeichnet. Was ist das Geheimnis ihres Erfolgs?

Burkhard Exner: Bis ich Derartiges gehört habe, hatten wir eine lange Durststrecke zu gehen. Auf diesem Weg gab es etliche Jahre auch viele Kritiker. Umso mehr freue ich mich, dass sich die langfristige solide Finanzpolitik nun auszahlt. Als ich Kämmerer in Potsdam wurde, war die Stadt hoch verschuldet. Potsdam hat damals ganze Pakete von Grundstücken verkauft, um damit „Löcher" im Verwaltungshaushalt zu stopfen. Mit dem ersten Haushalt für das Jahr 2003 haben wir begonnen, den Hebel umzulegen. Geduldig und mit langem Atem haben wir uns seitdem auf einen ausgeglichenen Haushalt zubewegt. Inzwischen machen wir sogar Überschüsse, um damit aus eigener Kraft investieren zu können und nicht allein auf Fördergelder und Bankkredite angewiesen zu sein. Das ist auch mein Ziel für die nächsten Jahre.

Mit dem letzten Doppelhaushalt, einschließlich Nachtrag für 2019, wurden neue Rekorde aufgestellt und fast ohne Gegenstimme beschlossen - ein seltener Fall.

Auf den Doppelhaushalt 2018/2019 können wir wirklich stolz sein, weil wir den größten Teil der investiven Gelder für Schulen, Sportstätten und Kindergärten einsetzen. Die Bildung und junge Generation haben in Potsdam hohe Priorität – und das wird zunehmend sichtbar. Dabei helfen uns natürlich auch die gute Konjunktur und die hohen Steuereinnahmen. Somit ist zusätzliches Geld für einen Nachtragshaushalt vorhanden. Damit beschleunigen wir die Digitalisierung in der Stadtverwaltung und schaffen 120 zusätzliche Personalstellen damit wir noch mehr für die Bürgerinnen und Bürger leisten können. Kurz gesagt: Wir nutzen die finanziellen Spielräume konsequent, um den sozialen Zusammenhalt zu stärken und die Lebensqualität in unserer Stadt weiter zu erhöhen.

Auf jeden Aufschwung folgt ein Abschwung. Die Steuerschätzer sagen, dass die Zeit der vollen Kassen bald zu Ende geht. Was be-eutet das für Potsdams Finanzen?

Natürlich kenne ich diese Prognosen. Immer mehr Steuereinnahmen und höhrere Schlüsselzuweisungen des Landes sind nicht selbstverständlich. Der Bedarf an Investitionen wird in Potsdam aber enorm bleiben. Ich gebe zu, dass mir das Kopfschmerzen bereitet. Wir müssen versuchen, im nächsten Doppelhaushalt den erfolgreichen Konsolidierungs- und Investitionskurs fortzusetzen. Wir müssen Prioritäten setzen, um Potsdam weiter zu entwickeln und gleichzeitig die Kreditaufnahmen nicht explodieren zu lassen. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass wir auch aus eigenen Mitteln Investitionen bezahlen. Nur wenn wir ausreichend finanzielle Überschüsse aus der laufenden Verwaltung erwirtschaften, kann die Neuverschuldung im akzeptableren Rahmen gehalten werden und das Investieren aus eigener Kraft gelingen.

Heißt das, dass Potsdam weitere Schulden machen muss, um ausreichend attraktive Angebote zu schaffen?

Die Kunst liegt darin, nicht zu viel mit Krediten zu finanzieren, sondern verlässliche Überschüsse im Haushalt zu schaffen, die wir dann für Investitionen eingesetzen können. Kredite, das weiß jeder, müssen zurückgezahlt werden, kosten Zinsen und belasten die künftigen Haushalte wie auch kommende Generationen. Für die nächsten Jahre bedeutet das: Wir können nicht alles gleichzeitig anschaffen und müssen uns auch mal einen Wunsch verkneifen oder verschieben. Da werde ich als Kämmerer auch künftig den Finger heben und mahnen. Das ist meine Rolle, und die nehme ich ernst.

Investieren und gleichzeitig sparen, wie geht das auf Dauer zusammen?

Bis zum Jahr 2027 wird Potsdam nach unseren jüngsten Prognosen auf über 200.000 Menschen anwachsen. Vor einigen Jahren hatte unsere Stadt gerade noch 140.000 Einwohner. So schnell wächst kaum eine andere Stadt in Deutschland – und jeder kann sich vorstellen, was das für die Infrastruktur bedeutet, angefangen bei Schulen und Kitas über den Verkehr bis hin zum Wohnungsbau und bezahlbaren Wohnangeboten. Auch die damit verbundenen Folgekosten müssen Jahr für Jahr finanziert werden – möglichst ohne dies alles den kommenden Generationen aufzubürden. Ich vergleiche Potsdams Situation manchmal mit der Gründung einer Familie. Wenn Kinder dazu kommen, verändert sich die Situation. Die Prioritäten werden anders gesetzt, denn das Geld reicht nicht mehr für alles gleichzeitig. Das gilt im übertragenen Sinn auch für die städtische Haushaltsplanung.

Sie rufen auch in diesem Jahr wieder zum Mitmachen beim Bürgerhaushalt auf.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass es sinnvoll ist, frühzeitig alle einzubeziehen. Viele gute Ideen kommen direkt von den Bürgerinnen und Bürgern. Mir ist dabei wichtig, dass wir uns auf ein gemeinsames Grundprinzip verständigen: dass wir langfristig verantwortlich wirtschaften und unsere Kräfte fair und realistisch einschätzen, auch mit Blick auf die nächste Generation. Deshalb können die Potsdamerinnen und Potsdamer bei der Haushaltsaufstellung für die Jahre 2020 und 2021 mitreden und Vorschläge einbringen – das können übrigens auch Sparvorschläge sein! Neu ist zudem das „Bürger-Budget". Damit wollen wir ab dem kommenden Jahr möglich machen, dass auch dezentral und für kleinere Projekte auf Wunsch der Bürger Gelder verteilt werden können.

Blicken wir weit in die Zukunft: Wie sieht der Stadthaushalt 2035 aus?

Er wird ein deutlich höheres Haushaltsvolumen ausweisen, voraussichtlich das für eine Stadt mit über 220.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Ich wünsche Potsdam, dass im Jahr 2035 eine gute konjunkturelle Lage sowie ein Haushalts-Plus festzustellen ist und genügend Eigenmittel für Investitionen vorhanden sind. Und dass gesagt wird: Unsere Stadt ist attraktiv und lebenswert. Die Leute, die vor uns Verantwortung hatten, haben ihre Arbeit gut gemacht. Sie haben uns die Spielräume zum Handeln nicht durch langfristige Schulden verbaut.

Für alle mit dem Berufswunsch Kämmerer: Was macht an der Arbeit besonders Spaß?

Trotz aller Schwierigkeiten und langer Arbeitstage bin ich ein glücklicher Kämmerer. Ich darf das Wachstum Potsdams mitgestalten. In den meisten Städterankings stehen wir weit oben. Bislang gelingt es uns also, die besondere Lebensqualität von Potsdam zu halten und weiter zu entwickeln. Das macht Freude.