„Kein Haushalt ohne Bürgerhaushalt“
Dieser Satz gilt seit der Einführung des Bürgerhaushalts in Potsdam. Christine Marzahl, Projektleiterin im Rathaus, nennt im Gespräch die Ziele und Rahmenkriterien des Verfahrens.
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Mit dem stadtweiten Potsdamer Bürgerhaushalt haben alle die Möglichkeit, bei der Gestaltung der Stadt mitzureden und eigene Ideen für die Planung des Kommunalhaushaltes einzubringen. Seit 2008 wird das Mitsprache-Angebot bereits in Potsdam genutzt. Interessierte können sich dabei über die Finanzen der Stadt informieren und eigene Vorschläge machen. „Mit großem Erfolg,“ berichtet Christine Marzahl, Projektleiterin im Rathaus.
Sie berichtet: „Unser Ziel ist es, einen offenen Dialog über Wünsche, Vorstellungen und Ideen zu ermöglichen. Dabei sollen alle Interessierten mitreden. Um alle Gruppen der Potsdamer Stadtgesellschaft zu erreichen, nutzen wir grundsätzlich verschiedene Wege der Ansprache. Sei es der direkte Draht am Infostand vor Ort, per Telefon, Postweg oder immer mehr auch durch eine Aktivierung im Internet auf der eigenen Homepage und den Social Media-Kanälen der Stadt.“
Seit dem Start des ersten Bürgerhaushalts gilt „Kein Haushalt ohne Bürgerhaushalt.“ Insgesamt beteiligten sich bereits mehr als 87.500 Menschen – stets mit steigender Tendenz. „Damit liegt Potsdam deutlich über der Quote anderer Städte. Auch dass wir das Verfahren bereits kontinuierlich seit mehr als zehn Jahren durchführen, ist eine Besonderheit“, resümiert Christine Marzahl.
6.753 Hinweise wurden in den vergangenen Jahren eingereicht. Allein beim letzten Durchlauf waren es 1.255 Vorschläge. „Das ist eine wirklich große Menge, zeigt aber, dass das Interesse an einer aktiven Mitwirkung da ist und der Bürgerhaushalt einen direkten Beitrag zur Identitätsstiftung mit der Stadt leistet. Um die Vielzahl der Anregungen zu bewältigen, nimmt ein Team aus Verwaltung, Politik und Bürgern eine redaktionelle Sichtung vor,“ erläutert Marzahl. „Dabei geht es aber nicht darum, unbequeme Ideen auszusortieren. Hier wird geschaut, ob die Verwaltung zuständig ist und ob die Stadtverordneten per Beschluss überhaupt eine Veränderung herbeiführen können.“
Christine Marzahl kommt dabei auch auf die gesetzlichen Rahmenkriterien zu sprechen. „Entscheidend sind die Paragraphen 15 und 28 der Brandenburger Kommunalverfassung. Demnach dürfen keine Bürgerbegehren oder -entscheide über Haushaltssatzungen durchgeführt werden. Solche Beschlüsse sind ausschließlich der Gemeindevertretung vorbehalten, in Potsdam also der Stadtverordnetenversammlung. Deshalb wurde ein Verfahren entwickelt, das diese Vorgabe beachtet und zugleich eine Einbeziehung der Bürgerschaft ermöglicht.“
Wichtigste Grundlage war, dass Stadtverordnete, Bürgerschaft und Verwaltung gemeinsam ein Rahmenkonzept entwickelten. Nach der Ideensammlung und Sortierung werden anhand zweier Abstimmungsrunden die 20 wichtigsten Hinweise ermittelt und dem Stadtparlament zur Entscheidung vorgelegt. „Das Gremium entscheidet dann, ob die Vorschläge in den Haushalt aufgenommen, weiter geprüft oder auch abgelehnt werden.“ Ein weiteres wichtiges Detail beschreibt die Projektleiterin: „Damit die Diskussion für alle transparent nachvollziehbar ist, erhält jeder Bürgervorschlag eine eigene verbindliche Nummer auf der öffentlichen Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung. Die Hinweise sind damit gleichberechtigt zu allen politischen Hinweisen. Potsdams Bürgerhaushalt fördert so den regelmäßigen und verbindlichen Austausch zwischen Stadtpolitik, Bürgerschaft und Stadtverwaltung.“
Viele Beispiele zeigen, was der Potsdamer Bürgerhaushalt bereits erreicht hat. Doch neben dem wichtigsten Ziel, eine Umsetzung vieler guter Ideen zu erreichen, gibt es weitere Gründe, sich aktiv zu beteiligen. Interessierte erhalten direkte Einblicke in die Abläufe der Verwaltungsarbeit und lernen dabei Fachleute kennen. Und umgekehrt erfährt die Verwaltung, wo Veränderungen notwendig sind. „Das Ganze ist ein Geben und Nehmen, von dem alle Seiten – Bürgerschaft, Stadtverwaltung und Politik – profitieren“, fasst Christine Marzahl zusammen. „Deswegen möchte ich alle ermutigen, auch in diesem Jahr wieder kreative Ideen einzubringen.“