(28.4.2022)

Für eine Stadt, die attraktive Arbeitgeberin ist, über digitale Angebote verfügt und den offenen, konstruktiven Austausch fördert

Dieter Jetschmanegg, Diplom-Verwaltungswissenschaftler und seit 1991 in Potsdam, ist Leiter des Geschäftsbereiches „Zentrale Verwaltung“. Im Interview gibt er Auskunft zum Stand der Digitalisierung, dem notwendigen Personalausbau und wie es gelingt, die Menschen der Stadt in Entscheidungen einzubeziehen.

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Dieter Jetschmanegg (Foto: Landeshauptstadt Potsdam / Robert Schnabel)
Dieter Jetschmanegg (Foto: Landeshauptstadt Potsdam / Robert Schnabel)
Dieter Jetschmanegg (Foto: Landeshauptstadt Potsdam / Robert Schnabel)
Sie sind seit über 30 Jahren in Potsdam. Wie hat sich die Stadt seitdem verändert? Was zeichnet sie heute aus?

Vieles, was man mit dem Auge sehen kann, hat sich verändert. Es wurde und wird viel saniert, neu gebaut und verändert; Gebäude, Straßen, Tram, Sportplätze, Schulen, Kultur. In ihrer Seele hat sich die Stadt aber ihren einzigartigen Kern erhalten. Die Diskussionsfreudigkeit ist wohl eine Eigenschaft dieser Stadt. Und dabei spielt die Veränderung der Zusammensetzung der Gesellschaft offensichtlich gar nicht die Rolle. Was Potsdam heute, wie in den vielen Jahren zuvor, auszeichnet, ist die Toleranz, die Weltoffenheit und das gesellschaftliche Engagement. Davon lassen sich auch viele Neubürger*innen sofort anstecken.

Haben Sie hier auch einen Lieblingsort, den Sie uns verraten?

Die Stadt wandelt sich wie beschrieben: Die eigene Lebenslage bestimmt auch immer wieder neue Orte. Tatsächlich besuche ich in vielen Städten sehr gerne die Friedhöfe. Sie erzählen viel über die Geschichte der Menschen in einer Stadt. Und sie sind wunderbar ruhige Plätze.

Sie sind als Dezernent unter anderem zuständig für die Personalorganisation in Potsdams Stadtverwaltung. Wie sieht ein ganz normaler Arbeitstag bei Ihnen aus?

Ich beginne gegen 8:30 Uhr. Die Tage starten mit einem Austausch im Team über die Termine und Aufgaben des Tages. Danach folgt Meeting auf Meeting mit Führungskräften und Mitarbeitenden meines Geschäftsbereichs. Um gute Entscheidungen treffen zu können, brauche ich die verschiedenen fachlichen und persönlichen Perspektiven aus meinem Geschäftsbereich. Auch deshalb war die Überschrift meiner ersten Mitarbeitendenversammlung 2019: Leute, redet miteinander!

Rund 2.500 Menschen arbeiten in Potsdams Stadtverwaltung.  Auch auf dem Ausbildungsmarkt ist das Rathaus derzeit sehr beliebt. Wie sorgen Sie und Ihr Team für gute Arbeitsbedingungen?

Der öffentliche Dienst als Ganzes hat viel zu bieten. Und wir setzen das für die Landeshauptstadt als Arbeitgeberin um: flexible Arbeitszeiten im Alltag, angepasste Arbeitszeitmodelle je nach Lebenslage, 200 Berufsgruppen, der Aufstieg in der Verwaltung, Fort- und Weiterbildung, Job-Ticket.
Die Themen betriebliche Ausbildung und duales Studium stehen immer im Fokus. Wir bieten jungen Menschen mit einem breiten Angebot einen guten Einstieg ins Berufsleben und haben gleichzeitig die Chance künftige Mitarbeitende gezielt für eine Tätigkeit bei der Verwaltung zu begeistern. Gleichzeitig stehen wir auch vor der Herausforderung uns bei den konkreten Arbeitsplatzbedingungen wie Räumen, Ausstattung, mobiler Arbeit und einer modernen Kultur des Arbeitens und Führens zukunftsfähig aufzustellen.

Die Corona-Pandemie hat Digitalisierung an vielen Stellen befördert. Wie weit ist die Verwaltung bei der Beschaffung moderner und sicherer IT-Technik aktuell?

Auch für die Stadt gab es durch die Pandemie einen Entwicklungsschub bei Digitalisierungsthemen. Trotzdem sind wir bei weitem nicht da, wo die Bürger*innen sie erwarten. Der Nachholbedarf gilt aber für ganz Deutschland. Die gesetzlich vorgeschriebene Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes bietet die Chance, nicht nur die Antragstellungen online zu ermöglichen, sondern auch unsere Verwaltungsprozesse mit in den Fokus zu nehmen und neu zu denken. Die Herausforderungen und die Dynamik sind enorm und werden uns als Verwaltung noch erhebliche Anstrengungen abverlangen.

Nicht alle Bereiche des Rathauses können aus dem Home-Office arbeiten. Hochzeiten, Adoptionen oder Einbürgerungen sind ja nicht per Videokonferenz möglich, oder?

Ich denke, spätestens zur Hochzeit sollten sich die Menschen auch mindestens einmal persönlich begegnet sein. Im Ernst – unsere Kolleg*innen müssen erkennen können, dass der Mensch real existiert und frei entscheidet. Da bietet der Bildschirm zu viele Möglichkeiten der Täuschung. In der Verantwortung gegenüber Kindern müssen wir zudem besonders vorsichtig sein.

Zu Ihrem Geschäftsbereich gehört auch das Büro der Stadtverordnetenversammlung. Dort werden die ehrenamtlichen Stadtverordneten bei der Erfüllung ihrer Tätigkeit unterstützt. Wie erleben Sie den Austausch zwischen Politik und Verwaltung? Wie können Interessierte neben Wahlen noch mitreden?

Der Austausch zwischen Verwaltung und Politik ist nie spannungsfrei. Obwohl es in der Kommune kein Parlament gibt, keine klassische Regierung und Opposition, werden die unterschiedlichen Positionen und Perspektiven eben doch regelmäßig deutlich. Das finde ich auch richtig. Dafür leben wir in der großartigen Staatsform Demokratie. Ihr Lebenselixier ist die Reibung, die Debatte, manchmal auch Streit, aber eben auch der Kompromiss und die Mehrheitsentscheidung mit Respekt vor der Minderheit. Das Büro der Stadtverordneten macht einen klasse Job und hat gerade in den letzten zwei Corona-Jahren durch die Digitalisierung, Live-Stream und anderes mehr, viel dazu beigetragen, dass die Arbeit der Stadtverordneten weiter gelingen konnte und nach aussen sichtbarer wurde. Ehrenamtlich geht viel in Potsdam. Wer gern mitwirken möchte, kann sich bspw. in Beratungsgremien wie dem Beteiligungsrat engagieren oder an den offenen Bürgerdialogen teilnehmen.

Warum sollten die Menschen, aus Ihrer Sicht, beim Bürgerhaushalt mitmachen?

Konkret darüber zu bestimmen, was „um die Ecke“ an Verbesserungen möglich sein kann, ist ein tolles Angebot. Ich erinnere mich, dass auch in meiner Hausgemeinschaft kräftig für ein Projekt geworben wurde. Das Angebot spricht die Menschen offensichtlich an.

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Hintergrund:

Dieter Jetschmanegg leitet den Geschäftsbereich Zentrale Verwaltung der Landeshauptstadt Potsdam

Aufwand 2022: 44.266.200 Euro
Ertrag 2022: 2.440.100 Euro

Gesamtstädtisches Ziel: Digitales Potsdam