Für eine nachhaltige Entwicklung in allen Kiezen, die den Alltag der Menschen berücksichtigt
Bernd Rubelt, Jahrgang 1968 und Diplom-Ingenieur, ist Potsdams Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaft und Umwelt. Beim Bürgerhaushalt spricht er über das Wachstum der Stadt, Lösungen für den Verkehr und die Bewahrung der einzigartigen Stadtidentität.
_
Potsdam ist wie kaum eine andere Stadt von historischen und politischen Umbrüchen im letzten Jahrhundert geprägt und verändert worden. Daraus ist neben den omnipräsenten Spuren im Stadtbild auch eine unverwechselbare, vielfältige und mittlerweile sehr selbstbewusste Stadtidentität gewachsen, die uns einen verantwortungsbewussten, toleranten Umgang mit allen städtischen Themen aufgibt und gleichzeitig auch Grundlage für das enorme kulturelle, soziale und wirtschaftliche Potential ist.
Wo befindet sich Ihr Lieblingsort in der Stadt?
Das hat sich bei mir in den letzten beiden Jahren von den urbanen Lieblingsorten eher hin zu den ländlicher geprägten Orten im Potsdamer Norden geändert. Von der Wublitz bis nach Sacrow genieße ich die Vielfalt von Natur und Landschaft. Hier finde ich Ruhe und stille Orte als Ausgleich zum hektischen Arbeitsalltag.
Potsdam wandelt sich: Das sieht man sowohl in der historischen Innenstadt als auch in den Wohngebieten. Worauf wird dabei geachtet?
Es geht in allen Quartieren immer um eine nachhaltige, integrierte Entwicklung, die viele wichtige Alltagsthemen der Menschen berücksichtigen muss: bezahlbares Wohnangebot, Verbesserung der Angebote für den Fuß- und Radverkehr, bezahlbarer und zügiger Nahverkehr, klimaneutrale Wärme, attraktive und artenreiche Freianlagen für Erholung, Anpassung an Klimawandel mit Baumschutz und Wassermanagement. Die Themen sind gleich, die Herausforderungen je nach Lage sehr unterschiedlich; ob wir zentrumsnah eine Brache entwickeln, die Plattenbausiedlungen im Süden transformieren oder Krampnitz als letzte große Entwicklungsressource der Stadt aktivieren.
Der Zuzug führt zu Verkehrsproblemen. Und auch Corona verstärkte das Problem – mehr Menschen waren wieder mit Autos unterwegs, anstatt Bus, Bahn oder Rad zu nutzen. Braucht Potsdam doch den, auch beim Bürgerhaushalt häufig thematisierten, dritten Havelübergang?
Stand heute sage ich: definitiv nein. Unser nachhaltiges Verkehrskonzept baut nicht auf zusätzliche Umgehungsstraßen, die am Ende zu mehr motorisiertem Individualverkehr führen. Auch lassen die Verkehrsdaten aus den vergangenen Jahren das nicht als plausible Lösung erscheinen. Vielmehr arbeiten wir daran, noch mehr attraktive Angebote für die Verkehrsträger des Umweltverbundes – Bus, Bahn und Fahrrad – zu schaffen. Allerdings werden wir aufgrund der Diskussion im Bürgerhaushalt prüfen, ob sich an der Datengrundlage mit aktuellen Erhebungen etwas verändert hat.
Wie sieht unsere Mobilität in der Zukunft aus?
In Potsdam, wie auch im ganzen Land: multimodal und ohne Verbrennungsmotoren. Das Fahrrad wird dann das stärkste Individualverkehrsmittel sein, flankiert von einem schnellen und sicheren Nahverkehr. So kann sich klimaschonend lokal, aber auch über Ring- und Stammbahn, regional bewegt werden.
Welche Projekte verfolgt die Stadt beim Klimaschutz? Können Aktionen auf kommunaler Ebene überhaupt etwas erreichen?
Die größte Herausforderung beim Klimaschutz ist gerade die Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit von globaler, bundesweiter und lokaler Handlungs-fähigkeit, weshalb wir in Potsdam Klimaschutzprojekte in allen Geschäftsbereichen und auch in sehr unterschiedlichen Größenordnungen entwickeln und umsetzen. Denken Sie z. B. an die Wieder-vernässung von Niedermoorflächen, Potsdams Solardachkataster, das Klimaschutzförderprogramm, die Stärkung des Umweltverbundes.
Was bedeutet das für Potsdams Wirtschaft? Wo liegen hier die Prioritäten?
Die Potsdamer Wirtschaft ist mit vielen Innovationen und Forschungsprojekten einerseits ein wichtiger Akteur in der Bewältigung der Herausforderungen vom Klimawandel und -schutz. Auf der anderen Seite müssen die Unternehmen unter dem Eindruck der aktuellen Energiekostenentwicklung und des Zieles der CO2-Neutralität viel stärker noch als bisher ihre Geschäftsmodelle überdenken, um sich auch in Zukunft am Standort Potsdam erfolgreich zu entwickeln. Die zentrale kommunale Aufgabe hierbei ist die stetige Verbesserung der allgemeinen und lokalen Standortbedingungen
mit der übergreifenden und essentiell wichtigen Bewältigung des Fachkräftemangels.
Stichwort Flächen: Immer mal wieder wird kritisiert, dass Menschen bei Bauprojekten vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Was entgegnen Sie?
Sorgen könnte man sich machen, wenn sich in unserer Stadt mal keine Baukräne mehr drehen und keine Straßen für Sanierungen mehr gesperrt werden. Denn dann sind wir nicht mehr im Stande die Probleme unserer Stadt zu bewältigen.
Stadtentwicklung ist in diesem Kontext ein fortlaufender, übergreifender Prozess, der einer guten strategischen Planung bedarf und in den Quartieren im Rahmen von Bauvorhaben immer wieder konkret verhandelt wird. Das heißt, keine Bewohnerin und kein Bewohner unserer Stadt kann sich den Themen der Stadtentwicklung wie z.B. Verkehr und Wohnen entziehen und ist gleichsam immer aufgerufen, sich in den laufenden Planungs- und Beteiligungsverfahren zu engagieren.
Was ist Ihre Vision für Potsdams Entwicklung in den kommenden Jahren?
Wir haben viele sehr konkrete Aufgaben: Das integrierte Stadtentwicklungskonzept „INSEK 2035“ umsetzen, „Krampnitz 5000“ und Tramausbau in den Norden realisieren und CO2-neutrale Wärmeversorgung ausbauen.
Warum sollten die Menschen, aus Ihrer Sicht, beim Bürgerhaushalt mitmachen?
Damit sie auch unabhängig von den großen Projekten Einfluss auf ihr persönliches Lebens- und Wohnumfeld nehmen. Und die letzten Jahre haben gezeigt, dass sich die Mitwirkung lohnt.
_
Hintergrund:
Bernd Rubelt leitet den Geschäftsbereich Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaft, Umwelt der Landeshauptstadt Potsdam.
Aufwand 2022: 181.335.100 Euro
Ertrag 2022: 113.738.800 Euro
Gesamtstädtische Ziele: Umweltgerechte Mobilität, Vorausschauendes Flächenmanagement, Wachstum mit Klimaschutz und hoher Lebensqualität, Bezahlbares Wohnen und nachhaltige Entwicklung, Investitionsorientierter Haushalt, Digitales Potsdam