(28.4.2022)

„Es wird darauf ankommen, Schwerpunkte zu setzen und die Kräfte zu konzentrieren“

Burkhard Exner ist seit 2002 Potsdams Beigeordneter für Finanzen. 2006 wurde er erstmals zum Bürgermeister gewählt und nimmt seitdem vertretungsweise auch Aufgaben des Oberbürgermeisters wahr. Im Interview spricht er über die Stadt und ihre Finanzen sowie die Herausforderungen und Auswirkungen internationaler Krisen und was er für Potsdams Zukunft erwartet.

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Bürgermeister und Beigeordneter für Finanzen, Investitionen und Controlling: Burkhard Exner (Foto: K. Wolf)
Bürgermeister und Beigeordneter für Finanzen, Investitionen und Controlling: Burkhard Exner (Foto: K. Wolf)
Bürgermeister und Beigeordneter für Finanzen, Investitionen und Controlling: Burkhard Exner (Foto: K. Wolf)
Sie sind in Potsdam seit nunmehr 20 Jahren Kämmerer. Wie bewerten Sie das Erreichte?

Als ich nach Potsdam kam, ging es der Stadt finanziell nicht gut, sie war hoch verschuldet. Städtische Grundstücke mussten veräußert werden, um riesige „Löcher“ zu stopfen. Bis 2012 waren wir noch verpflichtet, wegen der Defizite ein sogenanntes Haushaltssicherungskonzept, also konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzlage, beim Land vorzulegen. Die Genehmigung unseres Haushaltes hing von der Kommunalaufsicht ab. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei und es erfüllt mich mit Freude, dass die Stadt zuletzt mit ihren Jahresabschlüssen 2018 und 2019 wieder positive Meilensteine erreicht hat und seitdem aus eigener Kraft investieren kann. Die Stadt hat enormes Potenzial. Dies sowie eine langfristige, vor allem verantwortungsvolle und solide Finanzpolitik haben es möglich gemacht, dass wir trotz der nun schon zwei Jahre währenden Corona-Pandemie für das Jahr 2022 einen belastbaren Haushalt mit einem Investitionsvolumen auf sehr hohem Niveau vorgelegen konnten. Hierauf können wir alle zusammen stolz sein.

Hat die Stadt nach mehreren positiven Jahresabschlüssen einen Finanzpuffer?

Was ich derzeit für Potsdam festhalten kann, ist, dass unser gutes Wirtschaften und die Überschüsse der vergangenen Jahre uns heute in die Lage versetzen, alle städtischen Aufgaben und Strukturen durch die Corona-Krise zu tragen und zugleich das sehr ambitionierte Investitionsprogramm fortschreiben zu können. Im Vergleich zu vielen anderen Städten in Deutschland, musste Potsdam keine harten Einschnitte im Haushalt vornehmen. Hierbei halfen uns einerseits unsere in früheren Jahren erwirtschafteten Rücklagen und andererseits die in 2020 aufgespannten Rettungsschirme des Bundes und des Landes. Die Stadt wird jedoch einen Teil dieser Hilfeleistungen refinanzieren müssen. Wir können uns also nicht darauf ausruhen. Die genauen Belastungen können wir, ehrlich gesagt, noch nicht genügend quantifizieren. Die zukünftigen Unwägbarkeiten und Risiken nehmen leider auch nicht ab.

Wie wirken sich die internationalen Krisen konkret auf Potsdams Finanzen aus?

Der wirtschaftliche Einbruch während der Corona-Pandemie hat bekanntlich auch die Einnahmen von Städten und Gemeinden hart getroffen. Neben den Steuererträgen bilden die Schlüsselzuweisungen, die wir vom Land erhalten, eine der zwei Säulen, auf denen unsere Haushaltsplanung und unsere Finanzausstattung basieren. Im ersten Corona-Jahr 2020 hat das Land diese Zuweisungen stabilisiert und nicht, wie sonst üblich, abgesenkt. Das hat uns geholfen. Allerdings: Die Zukunft kann niemand vorhersagen, aber die Tendenz ist klar: Wir werden wohl noch länger weniger einnehmen als vor der Pandemie prognostiziert. Zugleich müssen wir deutlich höhere Ausgaben stemmen als bislang geplant. Neben steigenden Sozialausgaben, auch ein Effekt aus der Corona-Krise, sehen wir uns nun einer humanitären Katastrophe gegenüber und stehen vor der Herausforderung, so schnell und so gut wie möglich Geflüchteten aus der Ukraine Obhut zu geben, sie aufzunehmen, unterzubringen und sie bestmöglich zu unterstützen.

War das der Grund, zunächst auf einen Einzel- anstelle eines Doppelhaushaltes zu setzen?

Der kriegerische Angriff auf die Ukraine erfolgte erst deutlich nach Haushaltsaufstellung und -beschlussfassung für das Jahr 2022. Wir haben uns bereits im Frühjahr 2021 gemeinsam mit den Stadtverordneten für einen Einzelhaushalt und damit für ein „Fahren auf Sicht“‘ entschieden, und zwar aufgrund der damals noch nicht absehbaren Folgen aus der Corona-Pandemie. Ich hätte mir damals nicht vorstellen können, dass wir in Deutschland und Europa heute darüber diskutieren, wie wir explodierende Energiepreise und deren Folgen im Rahmen halten können. Die kommenden Monate werden zeigen, wie sich das weltweite Geschehen auswirkt. Noch ist nicht klar, wie sich die Finanzsituation genau weiterentwickelt. Deshalb wird es wohl auch zukünftig darauf ankommen, verantwortungsvoll zu handeln, Schwerpunkte zu setzen und die Kräfte zu konzentrieren.

Ohne neue Schulden wird es nicht gehen?

Vor der Ukraine-Krise hätte ich noch gesagt: Die Kunst liegt darin, nicht zu viel mit Krediten zu finanzieren, sondern weiterhin Überschüsse im Haushalt zu schaffen, die wir dann als Eigenmittel für Investitionen einsetzen. Im Kernhaushalt konnten wir in der Vergangenheit so immerhin die langfristige Verschuldung kontinuierlich abbauen und haben das auch weiterhin vor. Heute muss ich ehrlicherweise feststellen, dass ich das nicht mehr so einfach sagen kann. Niemand weiß zum jetzigen Zeitpunkt, was dieser Krieg mit den Energiepreisen machen wird oder wie viele Menschen noch flüchten und bei uns Zuflucht suchen werden.

Zur Wahrheit gehört im Übrigen auch, dass die Verschuldung des Kommunalen Immobilien Services Jahr für Jahr steigt. Denn der KIS ist es, der eine Vielzahl der Herausforderungen derzeit in der Praxis stemmt und umsetzt. Er übernimmt Investitionen, die dringend im Bildungsbereich benötigt werden. Die Kredite dafür müssen von der Kommunalaufsicht des Landes Brandenburg genehmigt werden. Und wir als Landeshauptstadt müssen sie zurückzahlen.

Der Schuldenstand steigt also maßgeblich durch Kreditaufnahmen für kommunale Immobilien wie Schulen und Kitas?

Richtig. Das hohe Investitionsniveau beinhaltet aber ebenfalls Modernisierungen und Erweiterungen der sozialen und technischen Infrastruktur. Unser Augenmerk liegt jedoch tatsächlich auf dem Ausbau und der Erneuerung im Bildungsbereich. Hier wird vor allem in Schulen, Kitas und Schulsportanlagen investiert. Künftig kommen verstärkt unsere Verwaltungsbauten hinzu. Aber Kredite, das wissen wir alle, müssen fortlaufend zurückgezahlt werden. Sie kosten Zinsen und belasten sowohl uns als auch kommende Generationen. Unsere Aufgabe für die nächsten Jahre lautet daher klar: Wir können nicht alles gleichzeitig angehen und anschaffen. Wir müssen den einen oder anderen Wunsch überdenken, zurückstellen oder verschieben und effizienter werden. Da werde ich als Kämmerer auch künftig den Finger heben und mahnen. Das ist meine Rolle und die nehme ich ernst.

Investieren und gleichzeitig sparen, wie geht das zusammen?

Potsdams Einwohnerwachstum hat sich in den letzten Jahren verlangsamt, wird aber nach derzeitigen Prognosen weiter anhalten. Folglich ist auch zukünftig mit Auswirkungen auf die gesamte Infrastruktur zu rechnen, angefangen bei Schulen und Kitas über den umweltgerechten Verkehr bis hin zum Ausbau von bezahlbaren Wohnangeboten. Die damit verbundenen Folgekosten müssen Jahr für Jahr über den Stadthaushalt finanziert werden – und dies möglichst ohne alles den kommenden Generationen aufzubürden. Das ist mir persönlich wichtig. Ich vergleiche Potsdams Wachstum darum manchmal mit dem einer Familie. Wenn Kinder dazu kommen, werden die Prioritäten neu gesetzt. Das Geld reicht nicht mehr für alles gleichzeitig. Das gilt im übertragenen Sinn auch für die städtische Haushaltsplanung.

Wo liegen Potsdams Schwerpunkte in diesem Jahr?

Die Stadtfinanzen 2022 sind wesentlich davon geprägt, dass wir nicht nur unser bisheriges Haushaltsvolumen und die damit verbundenen Aufgaben und Vorhaben der Stadt erhalten und sogar etwas steigern können, sondern dass wir vor allem keine Einschnitte vornehmen müssen. Sogar bei den sogenannten freiwilligen Leistungen haben wir es gemeinsam hinbekommen, dass wir im Haushalt 2022 einen leichten Anstieg verzeichnen. Bei den wichtigen Themen Klimaschutz und Öffentlicher Nahverkehr ist es obendrein gelungen, mehr finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Ebenso bei der Bildung konnten wir deutlich zulegen und investieren hier in die Zukunft unserer Kinder.

Und wie sieht Potsdams Stadthaushalt in 20 Jahren aus?

Er wird ein nochmal deutlich höheres Haushaltsvolumen ausweisen. Ich wünsche uns, dass wir im Jahr 2042 eine gute konjunkturelle Lage sowie ein solides Haushalts-Plus haben und über genügend Eigenmittel für Investitionen verfügen. Die Einwohnerinnen und Einwohner werden hoffentlich sagen: „Unsere Stadt ist schön, attraktiv und lebenswert. Die Leute, die vor uns Verantwortung hatten, haben ihre Arbeit gut gemacht. Sie haben uns die Spielräume zum Handeln nicht durch langfristige Schulden verbaut.“

Sie rufen in diesem Jahr wieder zum Mitmachen beim Bürgerhaushalt auf.

In Potsdam gilt mittlerweile das Credo: „Kein Haushalt ohne Bürgerhaushalt“. Die letzten Jahre haben gezeigt, wie sinnvoll es ist, frühzeitig alle einzubeziehen. Viele gute Ideen kommen direkt von den Bürgerinnen und Bürgern. Mir ist dabei wichtig, dass wir uns auf ein gemeinsames Grundprinzip verständigen. Wir müssen langfristig verantwortlich wirtschaften und unsere Kräfte realistisch einschätzen. Daher lade ich alle Interessierten herzlich ein, aktiv mitzureden und sich „einzumischen“. Ich bin gespannt auf die diesjährigen Anregungen und Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger.