„Wir haben die Freude, eine wachsende Stadt gestalten zu dürfen.“

Burkhard Exner Bürgermeistder und Beigeordneter für Zentrale Steuerung und Finanzen (Foto: LHP/F. Daenzer)
Burkhard Exner Bürgermeistder und Beigeordneter für Zentrale Steuerung und Finanzen (Foto: LHP/F. Daenzer)
Burkhard Exner Bürgermeistder und Beigeordneter für Zentrale Steuerung und Finanzen (Foto: LHP/F. Daenzer)

Herr Exner, Potsdams Bevölkerung soll künftig weiter wachsen. Was bedeutet das für die Stadt und die kommunalen Finanzen?

Bis zum Jahr 2035 wird Potsdam auf rund 200.000 Menschen anwachsen, steht in den Prognosen. Wer hätte das vor zehn Jahren gedacht? Potsdam ist attraktiv und eine tolle Stadt zum Leben. Die Herausforderung dabei ist: Die Infrastruktur muss mitwachsen. Und die damit verbundenen Folgekosten müssen finanziert werden – auf eine Weise, dass wir nicht nur Schulden machen und das Abzahlen den kommenden Generationen aufbürden.

Ich vergleiche Potsdams Situation gern mit der Gründung einer Familie. Wenn Nachwuchs erwartet wird, müssen neue Prioritäten gesetzt werden. Das Geld reicht plötzlich nicht mehr für alles gleichzeitig, es muss für die wichtigsten Dinge eingesetzt werden. So ähnlich ist das auch bei der Landeshauptstadt. Deshalb haben wir im letzten Jahr auch gemeinsam mit der Einwohnerschaft ein Leitbild für Potsdam erarbeitet. Es gibt wieder, wie wir in den nächsten zehn Jahren miteinander leben wollen und stellt so einen wichtigen Ausgangspunkt für unsere Planungen dar.

Kann sich Potsdam den Zuwachs und das Wachstum denn überhaupt leisten?

Ja – wenn wir Prioritäten setzen. Ich freue mich sehr, dass mit jeder neuen Einwohnerin und jedem neuen Einwohner auch die Erträge steigen, beispielsweise aus der Einkommensteuer. Gleichzeitig steigen aber auch die Kosten. Wir brauchen mehr Schulen und Kitas, mehr Busse und Bahnen, mehr Straßenlaternen, mehr Spielplätze und Wasserleitungen. Wenn wir das alles summieren, dann übersteigen die Ausgaben die zusätzlichen Einnahmen. Das ist leider so. Potsdams Wachstum nachhaltig zu finanzieren, bleibt in den kommenden Jahren die große Aufgabe für uns.

Heißt das also, Potsdam hat „nur" mit Wachstumsschmerzen zu kämpfen?

Genau. Wir stehen vor Herausforderungen, die, verglichen mit vielen anderen deutschen Städten, viel mehr Spaß machen als Probleme erzeugen. In anderen Städten und Regionen Deutschlands muss die Politik ein Schrumpfen der Bevölkerung hinnehmen. Wir haben die Freude, eine wachsende Stadt gestalten zu dürfen.

Dies geschieht jedoch in einer Zeit, in der das Land Brandenburg für uns als Finanzier zunehmend wegbricht. Die Menschen in Potsdam müssen wissen, dass die wichtigen investiven Schlüsselzuweisungen und Finanzspritzen des Landes ständig sinken und ab 2020 bei Null liegen werden. Dann ist Potsdam auf sich allein gestellt. Wir müssen Investitionen, beispielsweise in Schulen und Kitas, dann aus eigener Kraft finanzieren. Die Herausforderung liegt darin, nicht alles auf Kredit zu finanzieren, sondern auch verlässliche Überschüsse im Haushalt zu schaffen, die für Investitionen eingesetzt werden können. Das wird heißen: Wir können nicht alles gleichzeitig anschaffen und müssen uns auch mal einen Wunsch verkneifen. Und wir müssen uns als Stadt gut organisieren.

Ist das wirklich zu schaffen, ohne neue Schulden zu machen?

Wir haben keine Gelddruckmaschine im Keller und auch keinen vollen Tresor. Es ist schon jetzt klar, dass die Finanzdecke für manche Projekte kürzer und das Geld nicht für alle sinnvollen Ideen reichen wird. In einer Umfrage zum Bürgerhaushalt war ein großer Teil der Potsdamerinnen und Potsdamer übrigens der Meinung, man müsse neue Schulden vermeiden. Leider wird auch das angesichts der Herausforderungen nicht gehen. Aber wie viele Schulden wir machen und wie viel wir auf den Schultern der nächsten Generation abladen, müssen wir gut durchdenken und gemeinsam diskutieren. Darum haben wir ein sogenanntes „Zukunftsprogramm" erstellt. Darin hinterfragt die Verwaltung, welche Schwerpunkte wir setzen, worauf wir künftig verzichten können, wie wir kostengünstiger wirtschaften oder welche Qualitätsstandards wir wirklich brauchen.

Ist es dann überhaupt sinnvoll, angesichts der herausfordernden finanziellen Lage eine so umfangreiche Beteiligung wie den Potsdamer Bürgerhaushalt durchzuführen?

Unbedingt. Gerade bei der vorhandenen Ausgangslage ist es sinnvoll, frühzeitig alle Einwohnerinnen und Einwohner Potsdams einzubeziehen. Es gilt, sie zu fragen, wo die Prioritäten liegen sollen, denn Mitsprache schafft Vertrauen. Mir ist dabei aber wichtig, dass wir uns auf ein gemeinsames Grundprinzip verständigen: dass wir langfristig verantwortlich wirtschaften und fair zur nächsten Generation unsere Kräfte einschätzen. Mir geht es deshalb darum, dass wir die Zukunft unserer Stadt gemeinsam gestalten. Aus diesem Grund führen wir dieses Jahr wieder einen Bürgerhaushalt durch. Alle Potsdamerinnen und Potsdamer haben die Möglichkeit, bei der Haushaltsaufstellung für die Jahre 2018 und 2019 mitzureden und eigene Ideen, auch zum Sparen, einzubringen.

Ich möchte auch dieses Mal alle ermutigen: Nutzen Sie diese Form des Dialogs mit der kommunalen Politik und bringen Sie sich ein! Informieren Sie Freunde, Kolleginnen und Kollegen und Verwandte und ermuntern Sie auch diese zur Teilnahme. Machen Sie Potsdams Bürgerhaushalt auch in diesem Jahr wieder zu dem, was er sein soll: ein erfolgreicher Beitrag zur gemeinsamen Gestaltung unserer Stadt. Ich freue mich über jeden einzelnen Vorschlag.


Das Interview führte Frank Daenzer.