(Das Interview wurde in der Mieterzeitung der ProPotsdam, September 2018, veröffentlicht.)

"Wir wollen die Schlaatzer frühzeitig mitnehmen"

Martina Wilczynski und Jörn-Michael-Westphal (Foto: Projektkommunikation)
Martina Wilczynski und Jörn-Michael-Westphal (Foto: Projektkommunikation)
Martina Wilczynski und Jörn-Michael-Westphal (Foto: Projektkommunikation)

Zwei Schlaatz-Experten, die sich auf jeweils ihrem Gebiet schon lange mit dem Stadtteil befassen, unterhielten sich auf Einladung der Mieterzeitschrift „Wohnen in Potsdam“ der ProPotsdam über die Perspektiven des Schlaatzes, seine Entwicklungschancen und die Voraussetzungen einer erfolgreichen Veränderung. Martina Wilczynski ist Leiterin des Schlaatz-Bürgerclubs, Bloggerin, Social-Media-Expertin und lebt selbst im Schlaatz. Jörn-Michael-Westphal ist der Geschäftsführer der ProPotsdam GmbH und verantwortlich für die Bewirtschaftung von tausenden Wohnungen im Schlaatz.

Wohnen in Potsdam: Was ist für Sie der Schlaatz?

Martina Wilczynski: Ein spannender Ort voller Überraschungen, mit viel Grün, tollen Menschen und einer angenehmen Atmosphäre.

Jörn-Michael-Westphal: Der Schlaatz ist ein wichtiger Standort für die ProPotsdam, die hier 2.480 Wohnungen hat. Er ist ein sehr grünes Wohngebiet mit einer vielfältigen Mieterstruktur. Ein Wohnort mit einer jungen Bewohnerschaft, zu der viele Kinder und viele Singl- und Starterhaushalte gehören. Und es ist ein Wohngebiet mit vielen Chancen und einem großen Entwicklungspotential.

Wohnen in Potsdam: Die Wohnungsunternehmen des Arbeitskreises StadtSpuren haben angekündigt, den Schlaatz in den kommenden Jahren grundlegend umzugestalten. Worin besteht denn der Handlungsdruck?

Martina Wilczynski: Es wäre schön, wenn die Schlaatzer einen richtigen Stadtteil hätten. Was nutzen zwei Döner-Läden auf 100 Meter, wenn es keinen Blumenladen gibt, kein Dienstleistungsgeschäft, keine Post? Wir brauchen einen starken Impuls in Richtung lokaler Ökonomie. Dafür fehlen die geeigneten Räume und ich hoffe, dass die in naher Zukunft entstehen.

Jörn-Michael Westphal: Für die ProPotsdam steht erst einmal die Sanierung des eigenen Wohnungsbestandes im Fokus, den wir bislang nur in Teilbereichen saniert haben. Derzeit entwickeln wir im Unternehmen einen Fahrplan, wann wir welches Haus in welchem Umfang sanieren werden. Gemeinsam mit der Landeshauptstadt und den anderen Wohnungsunternehmen werden wir die Infrastruktur aufwerten und uns auch mit dem Neubau von Wohnungen befassen. Auch dafür brauchen wir eine Art gemeinsamen Fahrplan, um die Veränderung in geordneter Form angehen zu können.

Wohnen in Potsdam: Sie sprechen vom Wohnungsneubau. Brauchen wir den im Schlaatz?

Jörn-Michael Westphal: Im Schlaatz gibt es vor allem kleine Wohnungen, die sehr begehrt sind. Aber wir beobachten, dass Familien auch wegziehen, weil es hier keine größeren Wohnungen gibt. Deshalb wollen wir als Ergänzung zu den vielen kleinen Wohnungen weitere größere für Familien bauen.

Martina Wilczynski: Solche allgemeinen Ankündigungen verunsichern die Menschen und machen auch Angst. Können Sie da schon konkreter werden?

Jörn-Michael Westphal: Wir können dazu Konkretes sagen, wenn wir so weit sind. Wir haben gerade erst mit den anderen Eigentümern und der Landeshauptstadt vereinbart, dass wir gemeinsam schauen, wo dafür geeignete Flächen sind und welche Art Gebäude auf diesen Flächen errichtet werden können. Das ist natürlich auch städtebaulich zu betrachten. Zu bedenken sind darüber hinaus solche Fragen, wie: Wo bringen wir die Parkplätze unter? Wo die Spielplätze und grünen Oasen, die so ein Stadtteil braucht? Aber diese Arbeit beginnt erst noch, und zwar gemeinsam.

Martina Wilczynski: Wenn man sich so etwas vornimmt, dann muss man sich auch überlegen, wie man die Leute bei solchen Veränderungen mitnimmt. Dabei ist zu beachten, dass man frühzeitig anfängt. Lange bevor die erste Baustelle wirklich zu sehen ist entstehen die Fragen und daher muss man sie lange bevor man praktisch anfängt auch beantworten. Ich lade jetzt schon Verantwortliche aus der Verwaltung und von den Wohnungsunternehmen in den Schlaatzer Bürgerclub, damit sie über ihre Absichten und Ziele berichten, auch wenn sie noch keine konkreten Pläne haben.

Jörn-Michael Westphal: Wir wollen neue Wohnungsangebote schaffen, die von den Potsdamern dringend gebraucht werden, ohne dabei die Lebensqualität der jetzigen Bewohner zu beeinträchtigen. Dazu müssen wir natürlich auch in Erfahrung bringen, welche Bedarfe die Schlaatzer selbst sehen, was ihnen wichtig ist und was sie stört. Deshalb müssen wir sie natürlich in die Planungsprozesse mit einbeziehen. Dazu braucht es geeignete Verfahren, etwa solche wie das Masterplanverfahren, das seinerzeit in Drewitz durchgeführt wurde. Die vielen positiven Veränderungen in Drewitz haben in diesem Verfahren ihre Grundlage.

Martina Wilczynski: Entgegen aller Kritiken und Ängste, die man vor Jahren in Drewitz hören konnte, nehmen die Drewitzer heute die Veränderungen an. Die neuen Fassaden, die Wendeschleife, den Park, den Kletterfelsen, das oskar… Denkt man daran, wie das früher aussah mit der Riesenstraße quer durchs Wohngebiet, da muss ich sagen: Drewitz hat richtig Charme bekommen. Es wäre toll, wenn wir so etwas auch im Schlaatz hinbekommen würden.

Wohnen in Potsdam: Ist Drewitz so etwas wie eine Blaupause für den Schlaatz?

Jörn-Michael Westphal: Durch die Entwicklung der Gartenstadt Drewitz seit 2009 haben wir eine Orientierung, wie Veränderungen mit Teilhabe der Bürger einher gehen kann. Aber ganz sicher kann man das nicht 1:1 übertragen. Kein Gebiet ist wie das andere. Für den Schlaatz müssen wir einen eigenen Weg finden. Hilfreich wäre hier ein Leitbild, das alle gemeinsam entwickeln – die Stadtverwaltung, die Wohnungsunternehmen, die sozialen Träger, vor allem aber auch die Bewohner. Viele Bedarfe kennen wir heute schon, etwa wenn es um die Verbesserung des Wohnungsangebotes geht, oder um Spielplätze und fehlende Gewerbeflächen. Aber es geht um Veränderungen, die auch noch in 40 oder 50 Jahren die richtigen sind.

Wohnen in Potsdam: In den Schlaatz sind in den letzten 15 Jahren viele Millionen Euro geflossen. Hier haben die Bewohner die Veränderungen kritisch reflektiert. Umfragen belegen, dass die Schlaatzer kein gutes Bild von ihrem Stadtteil haben.

Jörn-Michael Westphal: Wir wissen, dass der Schlaatz durchaus auch Potentiale hat. Die Frage ist, wie bekommen wir die Veränderungen generationengerecht, sozialverträglich und klimagerecht hin. Wohn- und Lebensqualität speist sich ja nicht nur aus der Tatsache, dass man in einem schönen Haus wohnt. Dazu gehört doch mehr: gut ausgestattete Schulen, ausreichend Kitas, ordentlich bezahlte Arbeitsplätze…. Wenn wir wollen, dass die Schlaatzer sich wohlfühlen, dann müssen wir uns nicht nur um die Wohngebäude kümmern, sondern um den gesamten Stadtteil. Dazu brauchen wir die Kooperation zwischen der Stadtverwaltung, den Wohnungsunternehmen und den sozialen Akteuren im Gebiet.

Martina Wilczynski: Wie wollen Sie denn die Sozialverträglichkeit sichern angesichts der hohen Aufwendungen, die der Klimaschutz und die energetische Ertüchtigung der Gebäude erfordern?

Jörn-Michael Westphal: Sozialverträglichkeit ist ein grundsätzliches Ziel unserer Arbeit. Um sie sichern zu können, bedarf es entsprechender Fördermittel vom Land, vom Bund und von der EU. Wer Fördermittel bekommen will, muss bestimmte Bedingungen erfüllen. Dazu gehören energetische Standards, Barrierefreiheit und sozialverträgliche Mieten. Jeder soll die Möglichkeit haben, nach der Sanierung weiter in seiner Wohnung zu wohnen. Nur wenn wir eine Verdrängung verhindern, kommen die Fördermittel auch wirklich den Schlaatzern zur Gute. Zur Sozialverträglichkeit gehört auch die frühzeitige Information der Bewohner. Vor jeder Sanierung sprechen wir mit jedem einzelnen Mieter, ermitteln die Bedarfe und erörtern mit ihm seine finanziellen Möglichkeiten.

Martina Wilczynski: Ich arbeite derzeit gemeinsam mit anderen Aktiven aus verschiedenen Bereichen an einem Partizipationskonzept für den Schlaatz. Das wollen wir im Oktober auf der nächsten Akteurskonferenz vorstellen und auch darüber abschließend beraten. Wenn es gelänge, ein solches Konzept im Herbst auf den Weg zu bringen, dann hätten wir schon vor dem Beginn jedweder konkreter Planung ein Konzept, das besagt, wie die Schlaatzer bei den kommenden Veränderungen zu beteiligen sind.

Jörn-Michael Westphal: Konkrete und verbindliche Vorstellungen von den Bewohnern über die Beteiligung der Schlaatzer würden sehr hilfreich sein, wenn man mit den Planungen beginnt. Von vornherein könnte man die Arbeitsprozesse an solchen Vorgaben ausrichten und solche Planer suchen, die fachlich versiert sind, aber auch große Erfahrungen mit der Bürgerbeteiligung haben.

Martina Wilczynski: Ich bin sehr optimistisch, dass es gelingen wird, die Schlaatzer miteinzubeziehen. Die Leute hier sind doch vernünftig. Klar, es gibt überall ein paar Schreihälse, die behaupten, dass sie die Meinung aller vertreten. Die gibt es hier auch, aber es gehört zur Kultur des Schlaatzes, dass man vernünftig miteinander reden kann. Und mit dem Partizipationskonzept werden wir eine gute Grundlage schaffen.

Wohnen in Potsdam: Wenn Sie sich den Schlaatz in 15 Jahren vorstellen – was sehen Sie da?

Martina Wilczynski: Ich sehe den Schlaatz als eine Internationale Bauausstellung, die endlich mal gelungen ist.

Jörn-Michael Westphal: Der Schlaatz ist Grün, liegt nahe am Zentrum der Stadt – er könnte das grüne Herz der Stadt sein.