Märkische Allgemeine Zeitung, 16.07.2009, S.20

INTERVIEW: „Setzen uns für eine Kultur-Flatrate ein“

Sören Zetzsche (33), Architekt und Städteplaner, gründete 2006 die deutsche Piratenpartei mit. Der Potsdamer ist heute im Vorstand der Piratenpartei Brandenburg, die 2008 entstand. Mit ihm sprach Karl Hildebrandt.

MAZ: In fünf Stichworten: Wofür steht die Piratenpartei?
Sören Zetzsche: Stärkere Bürgerrechte, Freiheit, Demokratie, Transparenz - wir wollen einen gläsernen Staat statt des gläsernen Bürgers - und die grundlegende Veränderung des Urheberrechts. Wir setzen uns klar für eine Kultur-Flatrate im Internet ein, um der Kriminalisierung von Daten-Tauschbörsen durch die Industrie und die Politik zu begegnen.

Wer ist die Piratenpartei in Potsdam?
Zetzsche: Seit der Europawahl Anfang Juni hat sich unsere Mitgliederzahl in Brandenburg verdoppelt, von 40 auf jetzt 80. Etwa 15 Leute davon wohnen in Potsdam, nicht alle sind Computerfreaks. Die Jüngeren überwiegen, und wir sind noch viel zu männerlastig.

Mit welchen Themen wollen Sie Potsdam bewegen und die Jugendlichen hier ansprechen?
Zetzsche: Wir können noch nicht alle lokalen Themen besetzen. Ein Schwerpunkt ist für uns der Bürgerhaushalt. Wir halten es für ein superdemokratisches Mittel, die Bürger selbst über Teile des städtischen Haushalts abstimmen zu lassen. In Potsdam läuft das aber alles viel zu intransparent und gelenkt. Darum müssen sich die Menschen, vor allem auch junge Leute, viel mehr einbringen, um dieses Instrument selbst in die Hand zu nehmen.

Das ist ja gar kein typisches Internet-Thema.
Zetzsche: Nein, darauf beschränken wir uns ja auch nicht. Wir wollen, dass Leute selbst Verantwortung übernehmen, statt über Politik zu nörgeln. Dafür braucht es demokratische Spielregeln. So kämpfen wir auch dafür, die Bedingungen für Volksbegehren zu erleichtern.

In Potsdam haben Sie neulich gegen das „Zugangserschwernisgesetz" protestiert.
Zetzsche: Statt polizeilich gegen Kinderpornografie im Internet vorzugehen, werden Sperrseiten vorgeschaltet. Das ist Augenwischerei und vor allem ein Einfallstor für Zensur, die beliebig auf andere Bereiche ausgeweitet werden könnte. Darin sehen wir eine klare Verletzung von Freiheitsrechten. Genauso kämpfen wir gegen die Vorratsdatenspeicherung.

Wie halten Sie es mit Studi-VZ, Facebook, MySpace und ähnlichen Plattformen?
Zetzsche: Klar sagen wir den Leuten, dass sie aufpassen sollen, was sie da alles reinstellen. Und wir gehen an die Öffentlichkeit, wenn sich Datenmissbrauch abzeichnet. Doch zugleich sind das für uns ganz wichtige Informationsplattformen.

Was kommt in nächster Zeit?
Zetzsche: Wir sammeln ganz akut je 2000 Unterschriften im Land für die Zulassung zur Landtags- und Bundestagswahl. Bei Twitter-Umfragen im Internet stellen wir mit absoluter Mehrheit den Bundeskanzler. Aber auf der Straße ist das schwieriger. Wir sind in der Aufbauphase. Künftig wollen wir uns auch noch stärker kommunal engagieren.