Wie gut ist Potsdams Haushalt auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie vorbereitet? Ein Gespräch.

Burkhard Exner und Mike Schubert (Foto: Karoline Wolf)
Burkhard Exner und Mike Schubert (Foto: Karoline Wolf)
Burkhard Exner und Mike Schubert (Foto: Karoline Wolf)

Wie hat sich Ihr Leben und Arbeiten aufgrund der Corona-Ausbreitung verändert?

Mike Schubert: Die letzten Monate waren für uns alle eine große Herausforderung. Die Art des Zusammenlebens hat sich vollkommen verändert. Und beruflich hat es nur wenige persönliche Termine gegeben, dafür täglich mehrere Telefonkonferenzen. Trotz aller Schwierigkeiten hat die Krise aber auch gezeigt, wie stark der Zusammenhalt in unserer Stadt ist. Ich bin dankbar, dass so viele Potsdamerinnen und Potsdamer so umsichtig agieren und auch weiter bereit sind, die ungewohnte Situation gemeinsam zu meistern.

Burkhard Exner: Das Leben hat sich schon sehr verändert, ob privat oder im Job. Vieles spielt sich digital oder nur noch mit Distanz ab. In meinem Geschäftsbereich haben während des Lockdowns viele von zuhause gearbeitet. Beratungen oder Abstimmungen in der Endphase der Haushaltsaufstellung wurden auf ein Minimum reduziert oder fanden telefonisch statt. Vieles war spürbar anders in diesem Jahr.

Auch die Haushaltsdebatte war verkürzt. Was war der Grund dafür?

Burkhard Exner: Bis zum Beschluss befanden wir uns in der sogenannten haushaltslosen Zeit. Das heißt: Ausgaben durften nur für Pflichtaufgaben wie z.B. Wohngeld ausgegeben werden. Freiwillige Ausgaben, das sind u.a. Zuschüsse an Sportvereine, durften nur sehr begrenzt ausgereicht werden. Es hat sich gezeigt, dass die haushaltsrechtlichen Vorschriften des Landes für eine derartige Krisensituation nicht gemacht sind. Umso wichtiger war es, schnell wieder handlungsfähig zu werden, indem wir den Haushalt beschlossen haben. Dadurch sind wir frei von übergeordneten Fesseln, können erheblich besser agieren und die finanziellen Mittel zielgerichtet einsetzen.

Mike Schubert: Jede weitere Verzögerung hätte zu Risiken bei den freiwillig finanzierten städtischen Aufgaben geführt, bspw. bei der Finanzierung und beim Erhalt von Kulturträgern oder der Wirtschaftsförderung. Die intensive Arbeit und die enge politische Abstimmung, die von den Fraktionen auch mitgetragen wurde, war eine wesentliche Voraussetzung, damit es jetzt so scheinbar reibungslos weitergehen kann.

Wurden im nun vorliegenden Doppelhaushalt auch bereits zusätzliche finanzielle Mittel zur Krisen-Bewältigung eingeplant?

Mike Schubert: Ja. Es ist uns gemeinsam gelungen, erste Vorkehrungen zu treffen. Wir haben zum Beispiel einen Notfallfonds eingerichtet und Hilfsaufwendungen für Kultur, Sport und Museen eingeplant. Außerdem haben wir Gelder für die Arbeit des Verwaltungsstabs eingeplant, der in dieser Zeit einen wichtigen Job gemacht hat. Und wir haben zusätzliches Personal für Bereiche vorgesehen, die von der Pandemie besonders betroffen sind – zum Beispiel das Gesundheitsamt.

Der Doppelhaushalt 2020/21 soll das größte, jemals veranschlagte Haushaltsvolumen der Stadt umfassen.

Burkhard Exner: So ist es. Und darauf bin ich stolz. Der Doppelhaushalt 2020/21 umfasst ein noch nie da gewesenes Volumen von rund 790 Millionen Euro für 2020 und rund 820 Millionen Euro für 2021. Das ist eine enorme Steigerung zu den Vorjahren, aber sie ist notwendig und richtig. Und vor allem: Potsdam kann dies jetzt schultern, weil wir in den zurückliegenden Jahren immer solide gewirtschaftet haben. Das hilft uns jetzt, nicht sofort in einen Strudel nach unten zu geraten. Mit diesem Doppelhaushalt lösen wir aber nicht nur akute Probleme, sondern blicken auch strategisch nach vorn. Wir investieren gezielt bspw. in Klimaschutz und eine umwelt- und sozial gerechte Mobilität. Wir wollen eine 10-jährige Investitionsplanung auflegen, um die Stadt zukunftssicher zu machen. Die Konzentration liegt dabei auf bezahlbarem Wohnen, der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Stadt- und Ortsteilen sowie einer modernen und wachsenden Bildungsinfrastruktur. Nicht zuletzt wollen wir die Verwaltung als bürgernahe Dienstleisterin weiterentwickeln.

Hat die Krise die bisherigen Planungen denn zunichte gemacht?

Mike Schubert: Das ist ehrlich gesagt noch nicht absehbar. Potsdams Haushalt schafft die Grundlage für viele Aktivitäten in unserer Stadt. Dazu zählen neben den vielen Pflichtaufgaben, wie z.B. Sozialhilfe, auch Zuschüsse im freiwilligen Bereich. All diese Ausgaben werden wie geplant getätigt. Momentan sind wir in der glücklichen Lage, keine Haushaltssperre verhängen zu müssen. Das jahrelange erfolgreiche Wirtschaften und auch die bis Ende 2019 gute konjunkturelle Situation haben zu soliden Finanzen geführt, auf die wir nun zurückgreifen können. Für ein aktives und zielgerichtetes Krisenmanagement ist das sehr hilfreich. Jedoch ist in Zeiten wie diesen eine weitaus größere Anstrengung notwendig, die Potsdam nicht alleine schultern kann. Da werden wir auch das Land und den Bund brauchen.

Burkhard Exner: Niemand weiß, wie lange die Corona-Krise dauert und wie sie sich auswirkt. Der Haushalt steht momentan im beispiellosen Spannungsverhältnis zwischen dem größten je dagewesenen Haushalts- und Finanzvolumen einerseits sowie den noch nicht absehbaren Folgen der Pandemie andererseits. Wir schauen in die Glaskugel, wenn wir vorhersagen wollen, was uns in den nächsten Jahren an Erträgen wegbrechen wird. Wenn ich den Einschätzungen des Deutschen Städtetages folge, dann wird die Kommunen die Coronakrise mit massiven Einbrüchen treffen. Wir müssen abwarten und zugleich mutig, wachsam und flexibel sein.

Weil die Konjunktur angesichts der Krise abgestürzt ist? Was bedeutet das konkret?

Mike Schubert: Hier in Potsdam haben 90 Prozent der Betriebe weniger als zehn Mitarbeitende – das ist also eine sehr kleinteilige Wirtschaftsstruktur. Diese Unternehmen, von Einzelhandel über Gastronomie bis hin zu Hotels, sind durch ausbleibende Kunden sowie fehlende Aufträge in eine schwierige Lage gekommen. Hier benötigen wir Unterstützung von Bund und Land. Burkhard Exner hat es bereits gesagt: Der Einbruch der Konjunktur trifft aber auch die Ertragsseite der Städte und Gemeinden in einem erheblichen Maße.

Wegen der stockenden Wirtschaft rechnet Potsdam also mit weniger Steuereinnahmen?

Burkhard Exner: Ja. Wir rechnen mit Einbrüchen. Folgt man den Aussagen des Brandenburger Städte- und Gemeindebundes, müssen wir im Jahr 2020 mit einem Steuerminus von mehr als 13 Prozent rechnen. Neben den Steuererträgen sind Schlüsselzuweisungen, die wir vom Land erhalten, eine weitere wichtige Säule. Auch hier werden wir mit sinkenden Erträgen rechnen müssen und zwar für die kommenden Jahre. Niemand kann genaue Zahlen vorhersagen, aber die Aussicht ist klar: Wir werden drastisch weniger einnehmen und müssen deutlich höhere Ausgaben stemmen, für Investitionen, aber auch für Sozialleistungen.

Sind die ehrgeizigen städtischen Investitionsvorhaben denn überhaupt noch realisierbar?

Mike Schubert: Das hoffe ich, denn wir müssen auch an die Zeit denken, in der die Pandemie beherrschbarer geworden ist. Potsdam hat viele Projekte in Arbeit: Angefangen bei unseren Investitionen in die Bildungs- und Sozialinfrastruktur, über Krampnitz bis hin zum Ausbau und der Erweiterung des öffentlichen Nahverkehrs. An diesen Investitionsvorhaben werden wir weiter festhalten.

Burkhard Exner: Wir erarbeiten gegenwärtig Leitlinien für die Haushaltsausrichtung in dieser besonderen Situation. Wir haben mit der Planung bis 2024 ein enormes Investitionspaket aufgelegt. Der hohe Eigenanteil von 190 bis 200 Millionen Euro basiert auf Mitteln, die wir als Stadt selbst erwirtschaften müssen. Je mehr wir zur Bewältigung dieser Krise benötigen, desto weniger haben wir später für andere Zwecke zur Verfügung. Solidarität von Bund und Land ist daher dringend notwendig. Der Rettungsschirm auch für die Kommunen ist kein Selbstzweck. Er dient der Sicherung der Daseinsvorsorge und damit für all das, was unsere Stadt so lebenswert macht.

Ist aufgrund der Unwägbarkeiten also ein Nachtragshaushalt zu erwarten?

Burkhard Exner: Derzeit gehen wir davon aus. Dazu müssen wir aber erst genauer wissen, wie stark uns die Ertragsausfälle treffen und wie wir das kompensieren. Fest steht, dass wir bei einer Nachtragsplanung Prioritäten setzen und uns auf das wirklich Wesentliche konzentrieren müssen. Es kann sein, dass dann das eine oder andere Projekt zunächst warten muss. Aber das ist nicht nur bei uns so.

Werden Sie auch wieder zum Mitmachen beim Potsdamer Bürgerhaushalt aufrufen?

Burkhard Exner: Selbstverständlich. Mir ist dabei aber wichtig, dass wir uns auf ein gemeinsames Grundprinzip verständigen. Wir müssen langfristig verantwortlich wirtschaften und unsere Kräfte realistisch einschätzen. Unter dieser Maßgabe lade ich alle Interessierten herzlich ein, aktiv mitzureden.

Mike Schubert: Die letzten Jahre haben gezeigt, dass es sinnvoll ist, alle Interessierten frühzeitig einzubeziehen. Deshalb wollen wir in diesem Jahr auch „Bürger-Budgets" einführen. Damit finanzieren wir Ideen und Vorhaben der Bürgerschaft direkt vor Ort. Das wollen wir mit bekannten Partnern in den Stadtteilen gemeinsam umsetzen. Insgesamt stehen 120.000 Euro bis zum Ende des Jahres 2021 zur Verfügung. Natürlich müssen wir hierbei aber auch die derzeitige Situation auf dem Schirm haben und unser Beteiligungsverfahren anpassen.
 

Interview: Frank Daenzer, Madeleine Jakob