„Die Herausforderung ist, Potsdams Wachstum nachhaltig zu gestalten."

Burkhard Exner Bürgermeistder und Beigeordneter für Zentrale Steuerung und Finanzen (Foto: LHP/Frank Daenzer)
Burkhard Exner Bürgermeistder und Beigeordneter für Zentrale Steuerung und Finanzen (Foto: LHP/Frank Daenzer)
Burkhard Exner Bürgermeistder und Beigeordneter für Zentrale Steuerung und Finanzen (Foto: LHP/Frank Daenzer)

Herr Exner, kürzlich wurden neue Prognosen für Potsdams Bevölkerungszahlen veröffentlicht. Was bedeutet das für die Stadt?

Bis zum Jahr 2035 wird Potsdam von heute rund 167.000 auf 198.000 Menschen anwachsen, steht in den aktuellen Prognosen. Wer hätte das vor zehn Jahren gedacht? Potsdam ist attraktiv und ein wunderschöner Ort zum Leben. Die Kehrseite davon ist: Die Infrastruktur dieser Stadt muss mitwachsen. Und die damit verbundenen Folgekosten müssen natürlich finanziert werden – auf eine Weise, dass wir nicht nur Schulden machen und das Abzahlen den kommenden Generationen aufdrücken. Ich vergleiche die Situation von Potsdam mit der Gründung einer Familie. Weil wir Kinder haben oder noch Zuwachs erwarten, wird die Wohnung vergrößert oder vielleicht ein Haus gebaut. Und deshalb werden Prioritäten gesetzt: ein Restaurantbesuch weniger im Monat, ein kleinerer Urlaub, ein gebrauchtes statt ein neues Auto, um das Geld für wichtigere Dinge einzusetzen. So ähnlich ist das auch bei der Landeshauptstadt.

Kann sich Potsdam so ein Wachstum überhaupt leisten?

Ja – wenn wir Prioritäten setzen. Ich freue mich sehr, dass mit jedem neuen Einwohner auch die Einnahmen und Erträge steigen, unter anderem aus der Einkommenssteuer. Das ist gut. Gleichzeitig steigen mit jedem neuen Einwohner aber auch die Kosten. Wir brauchen mehr Schulen und Kindergärten, mehr Busse und Straßenbahnen, mehr Straßenlaternen, mehr Spielplätze und Wasserleitungen. Wenn wir das alles untereinander schreiben, dann übersteigen die dafür benötigten Ausgaben die zusätzlichen Einnahmen. Das ist leider so. Potsdams Wachstum nachhaltig zu finanzieren, wird in den kommenden Jahren die große Herausforderung für unsere Stadt.

Heißt das also, Potsdam hat mit Wachstumsschmerzen zu kämpfen?

Genau das ist die Herausforderung, die viel mehr Spaß macht, als die Probleme, die viele andere Städte haben. In vielen Städten und Regionen Deutschlands muss die Politik das Schrumpfen der Bevölkerung hinnehmen. Wir in Potsdam dürfen das Wachsen gestalten. Und dies in einer Zeit, in der das Land Brandenburg für uns als Finanzier zunehmend wegbricht. Die Menschen in Potsdam müssen wissen, dass die wichtigen investiven Schlüsselzuweisungen des Landes ständig sinken und ab 2020 bei Null liegen werden. Dann ist Potsdam auf sich allein gestellt. Wir müssen Investitionen dann aus eigener Kraft finanzieren können. Die Herausforderung liegt darin, nicht alles auf Kredit zu finanzieren sondern verlässliche Überschüsse im Haushalt zu schaffen, die für Investitionen eingesetzt werden können. Das wird heißen: Nicht alles gleichzeitig anschaffen und sich mal einen Wunsch verkneifen.

Ist das zu schaffen, ohne neue Schulden zu machen?

Wir haben keine Gelddruckmaschine im Keller und auch keinen vollen Tresor. Es ist schon jetzt klar, dass die Finanzdecke für manche Projekte kürzer und das Geld nicht für alle sinnvollen Ideen reichen wird. In der aktuellen Umfrage zum Bürgerhaushalt war ein großer Teil der Potsdamerinnen und Potsdamer der Meinung, man müsse neue Schulden vermeiden. Leider wird auch das angesichts der Herausforderungen nicht gehen. Aber wie viele Schulden wir machen und wie viel wir auf den Schultern der nächsten Generation abladen, will gut bedacht sein. Darum haben wir ein sogenanntes „Zukunftsprogramm“ erstellt. Wir wollen beständig hinterfragen, welche Schwerpunkte wir setzen, worauf wir verzichten können, wie wir kostengünstiger wirtschaften oder welche Qualitätsstandards wir wirklich brauchen.

Ist es überhaupt sinnvoll, angesichts der angespannten finanziellen Lage eine so umfangreiche Beteiligung wie den Potsdamer Bürgerhaushalt durchzuführen?

Unbedingt. Gerade bei der vorhandenen Ausgangslage ist es sinnvoll, frühzeitig alle einzubeziehen und sie zu fragen, wo die Prioritäten liegen sollen. Mitsprache schafft Vertrauen. Mir ist wichtig, dass wir uns auf ein gemeinsames Grundprinzip verständigen: dass wir langfristig verantwortlich wirtschaften und fair zur nächsten Generation unsere Kräfte einschätzen. Mir geht es darum, dass wir die Zukunft unserer Stadt gemeinsam gestalten. Darum führen wir dieses Jahr wieder einen Bürgerhaushalt durch, mittlerweile zum zehnten Mal. Alle Potsdamerinnen und Potsdamer haben die Möglichkeit, bei der Haushaltsaufstellung 2017 mitzureden und eigene Ideen, auch zum Sparen, einzubringen.
 

Das Interview führte Frank Daenzer (25. April 2016)